Biodynamische und Naturweine, PetNats
Der Geschmack eines Weines wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst: Der Winzer wählt eine Rebsorte, die er in den Weinberg pflanzt. Der Weinberg hat eine bestimmte Bodenstruktur (Schiefer, Kalkstein, Löss …), er hat eine topografische Gestalt (Steilhang, Terrasse …) und ist einem bestimmten Klima unterworfen - dies alles zusammen wird als Terroir bezeichnet. Der Winzer bearbeitet den Weinberg und baut den Wein in seinem Keller nach seinen Vorstellungen aus. Alle diese Faktoren bestimmen den Geschmack und die Qualität eines Weines.
Dabei unterliegt der Begriff ‚Qualität‘ einem ständigen Wandel durch sich verändernde Vorstellungen, wie ein Weinberg bewirtschaftet werden sollte, durch den technischen Fortschritt im Keller und durch die Veränderung von geschmacklichen Vorlieben.
In den 60er bis 80er Jahren entwickelte sich eine Tendenz zur Industrialisierung des Weinbaus. Dies führte zu großflächigen Flurbereinigungen, einem hemmungslosen Einsatz von synthetischen Düngemitteln und Pestiziden und zum Einsatz von neuen Kellertechniken. Vor allem die Entwicklung von Reinzuchthefen glich einer technischen Revolution. Durch sie konnte der Most schnell und sicher vergoren werden und darüber hinaus der Duft, der Geschmack und der Alkoholgehalt des Weines beeinflusst werden. Auch das Verfahren der kalten Vergärung führte zu einem standardisierten Weingeschmack: zu frischen, primärfruchtigen Weinen.
Der Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden führte zu zahlreichen Problemen: Verarmung der Böden, Bodenerosion, Resistenz-problemen und gesundheitlichen Belastungen der Winzer. Als Reaktion entwickelten sich in den 80er und 90er Jahren zunehmend Bestrebungen, die Weinberge biologisch zu bearbeiten. Das Ziel war eine Revitalisierung des Ökosystems Weinberg. Insektizide, Fungizide und Pestizide sowie synthetische Düngemittel wurden aus dem Weinberg verbannt. Vor allem mittels gezielter Begrünung, der Ausbringung von organischem Dünger und der Anwendung von pflanzenstärkenden Präparaten wurden lebendige Weinbergsböden wieder hergestellt und die Widerstandsfähigkeit der Rebpflanzen gefördert.
Vor allem durch Wegbereiter in Frankreich – Nicolas Joly (Loire), Pierre Frick (Elsass) u.a. – entwickelten sich in den 90er Jahren erste Ansätze zum biodynamischen Weinbau, der sich seit einigen Jahren rasant verbreitet.
Die biodynamische Landwirtschaft geht auf Vorstellungen von Rudolf Steiner, dem Begründer der Anthroposophie, zurück. Er skizzierte 1924 als Erster das Modell einer ganzheitlichen ökologischen Land-wirtschaft. Im Idealfall sollte demnach ein landwirtschaftlicher Hof in Form einer Kreislaufwirtschaft autark wirtschaften, d. h. zum Beispiel eigene Rinder halten, das Saatgut und Futter selbst erzeugen, den Dünger mit selbst hergestellten Präparaten anreichern und so fort. Die Biodynamik ist eine Arbeitsphilosophie in der Weise, dass sie den Bauern auffordert, aus einer ganzheitlichen Überzeugung heraus sinnliche Erfahrungen zu sammeln, Zusammenhänge zu verstehen und bewährte Methoden anzuwenden.
Rudolf Steiner Nicolas Joly Pierre Frick
Der biodynamische Weinbau wird durch 5 bestimmende Elemente gekennzeichnet:
1. Es wird davon ausgegangen, dass die Natur den Einflüssen der natürlichen Rhythmen von Sonne, Mond und anderen Gestirnen unterliegt. So bewirkt der zunehmende und abnehmende Mond sowie der
aufsteigende und absteigende Mond ein Aufsteigen und Absteigen der Lebenskräfte – dies entspricht altem Erfahrungswissen. Nach diesen Rhythmen werden die Arbeitsprozesse ausgerichtet. So wird im
Idealfall die Lese bei zunehmendem Mond und der Rebschnitt bei abnehmendem Mond erfolgen.
Wichtig sind die bereits von Steiner empfohlenen Präparate:
2. das Hornmistpräparat: hier wird Kuhmist in Kuhhörner gefüllt und über den Winter im Boden vergraben und
3. das Hornkieselpräparat: hier wird feingemahlener Quarz ebenfalls in Kuhhörner gefüllt und über den Sommer im Boden vergraben.
Im Kuhdung werden im Winter Lebenskräfte konzentriert und im Quarz im Sommer Energie, Licht und Wärme gespeichert.
4. Beide Präparate werden nach dem Ausgraben dynamisiert, d.h. in Wasser rhythmisch verrührt und anschließend in homöopathischer Dosierung versprüht: das Hornmistpräparat auf die Böden, das
Hornkieselpräparat auf das Blattwerk. Das Hornmistpräparat bewirkt eine spürbare Bodenverbesserung, eine messbare Erhöhung des Humusgehalts und intensiveres Wurzelwachstum. Das Hornkieselpräparat
unterstützt die Fotosynthese und steigert die Aromenbildung in den Beeren. Beide Präparate wirken ausgleichend.
5. Hinzu kommen Kompostpräparate aus Kräutern wie Schafgarbe, Kamille, Brennesseln und Baldrian, die eine deutliche Qualitäts-verbesserung des Komposts bewirken.
Insgesamt bewirkt die Biodynamik:
- vitalere Böden,
- ausgeglichenerer Wuchs der Pflanzen = bessere Belüftung,
- kleinere, aromatischere Beeren,
- physiologische Reife auch bei niedrigem Alkohol,
- delikate Kräuteraromatik der Weine
- und engerer persönlicher Bezug des Winzers zum Weinberg und zur Arbeit im Weinberg.
Diese Weinbaubetriebe arbeiten nach biodynamischen Methoden:
Seit einigen Jahren kommen Weine auf den Markt, die man früher zweifellos als fehlerhaft eingestuft hätte: die sogenannten Orange Wines oder Natural Wines. Ihr
Konzept beinhaltet:
- Verzicht auf möglichst alle Weinbehandlungsmittel:
auf Reinzuchthefen, Säurekorrekturen, Filtration und – wenn möglich - auf Schwefel
- Kelterung von Weißweinen mittels Maischegärung (wie Rotweine)
Sie bieten ein ungewöhnliches Geschmackserlebnis durch:
- das Zusammenspiel von Säure und Tanninen,
- Lebendigkeit und Tiefe,
- statt primärfruchtiger Aromen die von Trockenfrüchten, Gewürzen, nussigen und erdigen Noten.
- Das Sortenaroma der Rebsorte tritt tendenziell in den Hintergrund.
Eine weitere ungewöhnliche Variante sind die sogenannten Amphorenweine, die in altertümlichen Tonamphoren – zum Beispiel kaukasischen Qvevris – ausgebaut werden.
Eine traditionelle Art der Sektherstellung sind die sogenannten PetNats. PetNat ist die Abkürzung für Pétillant Naturel, übersetzt ‚natürlich prickelnd‘. Wie bei der Herstellung eines flaschenvergorenen Sektes entsteht die Perlage innerhalb der Flasche. Dabei wird der junge Wein (Federweißer) mit einem kleinen Restzuckergehalt in die Flasche gefüllt. Dieser Restzucker vergärt mit Hilfe der Hefe und bildet Kohlensäure. Nach Abschluss der Gärung verbleibt die Hefe in der Flasche; sie schützt den naturtrüben PetNat vor schneller Oxidation und gibt ihm Frische und sein charakteristisches herb-würziges Aroma.